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Energy & Infrastructure Insights: Kohlendioxid-Speicherung: „Der Wald allein wird es nicht richten“

March 2, 2023
Im Gespräch mit der Ökonomin und Klimaexpertin Prof. Dr. Sabine Fuss über den Aufbau einer CO2 Transport- und Speicherinfrastruktur.

Unser Energie- und Infrastruktur-Partner Tobias Larisch hat mit der renommierten Wissenschaftlerin Sabine Fuss über eine Technologie gesprochen, die hierzulande bislang umstritten ist: das Abscheiden von Kohlendioxid im Rahmen von Produktionsprozessen samt anschließender Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS).

Sabine Fuss leitet die Arbeitsgruppe „Nachhaltiges Ressourcenmanagement und globaler Wandel“ am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Ein Team unter ihrer Leitung hat vor gut einem Jahr eine umfassende Studie zum Thema CO2-Entnahmen veröffentlicht. Eine zentrale Botschaft lautet: Selbst wenn die Industrie die grüne Transformation entschlossen vorantreibt, wird es auf absehbare Zeit „unvermeidliche Prozess- und Restemissionen“ geben. Die CCS-Technologie ist deshalb wichtig, um Klimaneutralität zu erreichen – zumal die CO2-Aufnahmefähigkeit der Wälder wegen der Klimakrise sinkt. 

Die gute Nachricht: Laut Weltklimarat sind sichere Speicherkapazitäten vorhanden, und andere Länder haben die Technologie längst erprobt. Deutschland, kritisiert Fuss, hinke jedoch hinterher. Die Bundesregierung müsse in der angekündigten Carbon Management Strategie nun schnellstmöglich die richtigen Weichen stellen.

Larisch: Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Evaluierungsbericht zum Kohlendioxidspeichergesetz erstellt, demzufolge das Ministerium erwägt, die CCS-Technologie zum Speichern von CO2- möglich zu machen. Welche Chancen auf dem Weg zur Klimaneutralität bringt die Abscheidung- und Speicherung von CO2-?

Fuss: Netto null bedeutet: Alle menschengemachten CO2-Emissionen, die nicht auf null reduziert werden können, sind durch menschengemachte CO2-Entnahme zu kompensieren. Vor allem manche Prozessemissionen der Industrie werden bis zum von Deutschland als Zielmarke definierten Jahr 2045 kaum verschwinden – aber das CO2 kann im Herstellungsprozess abgeschieden und dann geologisch gespeichert werden. Zudem sind auch sogenannte Restemissionen etwa in Teilen der Industrie, in der Landwirtschaft und im Flugverkehr möglicherweise in der kurzen verbleibenden Zeit nicht zu vermeiden, und sie müssen dann durch CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Dies geht etwa über neu angepflanzte Biomasse zum Verfeuern mit Abscheidung von CO2 oder auch durch Direktabscheidung in Luftfilter-Systemen. Wichtig ist: Kein einziges der vielen Hundert vom Weltklimarat ausgewerteten Szenarien kommt ohne CO2-Entnahmen aus. Und wenn man sich nicht nur auf die Landsenken verlassen will, auch angesichts der durch den fortschreitenden Klimawandel beeinträchtigte Resilienz und CO2-Aufnahmefähigkeit der Wälder, dann bekommt die künstliche Abscheidung und Speicherung die entscheidende Rolle.

"Wichtig ist: Kein einziges der vielen Hundert vom Weltklimarat ausgewerteten Szenarien kommt ohne CO2-Entnahmen aus."

Sabine Fuss, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change

Larisch: Dennoch ist die CO2-Speicherung umstritten. Kritiker warnen vor Umweltrisiken dieser Methode. Was entgegnen Sie?

Fuss: CCS, Carbon Capture and Storage, ist inzwischen eine erprobte Technologie. Projekte wie Sleipner in Norwegen geben wenig Grund zur Sorge, dass großskalige Leckagen die Gesundheit und die Umwelt schädigen könnten. Mit Blick auf das wie in jeder Industrieanlage bestehende Restrisiko braucht es umfassendes Monitoring, Sicherheitsmaßnahmen, Haftungsregelungen und natürlich transparente Kommunikation. Sichere Speicherkapazitäten sind laut Weltklimarat vorhanden, und die Politik muss da jetzt schnell auf den Startknopf drücken. Aus der Geowissenschaft hören wir: Der Prozess der Auswahl, Bewertung und Erschließung wird mit allem Drum und Dran 15 bis 20 Jahre dauern. Das Akzeptanzproblem hat aber auch damit zu tun, dass CCS oft noch zusammengedacht wird mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Aber es darf keine Kompensation etwa für den längeren Betrieb von Kohlekraftwerken sein, sondern eben nur für unvermeidliche Prozess- und Restemissionen.

Larisch: Wie könnte der zügige Aufbau einer CO2-Transport- und Speicherinfrastruktur in Deutschland und Europa (auch finanziell) vorangetrieben werden? Welche Rolle könnten in ihren Augen hier CCS- Differenzverträge spielen?

Fuss: Beim Verbrennen fossiler Brennstoffe braucht es das Verteuern über einen CO2-Preis, um den externen Effekt „Klimafolgen“ zu internalisieren. Bei der CO2-Entnahme braucht es umgekehrt das Verbilligen: Ohne finanzielle Förderung wird es zu wenig geben. Schon für den Infrastruktur-Aufbau fehlen bislang die politischen Rahmenbedingungen. Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Sogenannte CCS-Differenzverträge, bei denen der Staat während des Hochfahrens des CO2-Preises die Differenz zu den vorerst noch darüber liegenden Grenzvermeidungskosten erstattet, können da helfen. Die Politik kann zudem durch Innovationsförderung die technische Entwicklung unterstützen sowie Anreiz für unternehmerische Aktivität durch Schaffung eines Nischenmarktes schaffen – also durch Förderung von Pilotanlagen und Setzen eines anwachsenden Mengenziels.

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Sabine Fuss

Larisch: Andere Länder haben ja bereits Erfahrungen mit CCS gesammelt. Was kann Deutschland hier lernen?

Fuss: Deutschland ist ein Technologiestandort mit hohem Innovationspotential. Gerade bei CCS ist Deutschland aber immer noch zögerlich und hinkt anderen Ländern hinterher. Das hat mit dem bereits angesprochenen Akzeptanzproblem zu tun. Erfolgreiche Demonstration wie in Norwegen, Innovationsförderung wie in den USA, eine solide Absicherung von Risiken und eben eine transparente Kommunikation können hier als Ansatzpunkte dienen, um diese Probleme zu überwinden.

Larisch: Bereits Mitte 2023 soll eine umfangreiche „Carbon Management Strategie“ der Regierung vorliegen. Was würden Sie sich von dieser Strategie wünschen?

Fuss: Zum einen hoffe ich, dass es konkrete Ziele geben wird für die Skalierung von CO2-Entnahmen. Zum anderen sollte die Regierung solche Ziele auch mit den entsprechenden Maßnahmen unterfüttern, damit sie auch erreicht werden können. Außerdem ist es meines Erachtens wichtig, nicht alles auf eine Karte zu setzen und in einer schlüssigen Gesamtstrategie ein breites Portfolio an Entnahmemethoden anzustreben – selbstverständlich nicht anstatt, sondern begleitend zu konsequenter Emissionsminderung in Richtung null. Der Wald allein wird es eben bei CO2-Entnahme nicht richten. Das ist wohl in letzter Zeit mit Dürren, Waldbränden, Borkenkäferbefall von Bäumen etc. überdeutlich geworden – es wird schon eine Herausforderung sein, diese Senken erst einmal zu erhalten.

Endnotes

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